Ilja Zaharov

In der Galerie 3000 im Dezember und Januar 2022/2023

Vernissage: 23.12.2022 18h

3.12.2022–28.01.2023
Cantonale Berne Jura 2022
Ilja Zaharov
kuratiert von Nikolaus Bischoff


Cantonale Berne Jura 2022 bezeichnet eine geteilte Ausstellung. Im ersten Sinne des Wortes geteilt lässt sich die Schau als eine von allen Beteiligten gemeinsam in Anspruch genommene Sache verstehen. Im anderen Sinne lässt sie sich als etwas
aus mehreren Stücken zusammengesetztes auffassen, welches eine Trennlinie zwischen den Stücken suggeriert. Die paradoxe Verflechtung von Einheit und Separation konstituiert den roten Faden der Ausstellung(en).
Zeitgleich zur Ausstellung von Ilja Zaharov findet in der Stadtgalerie die jährliche Weihnachtsausstellung Cantonale Berne Jura 2022 statt (kuratiert von Luca Beeler), die verschiedene künstlerische Positionen aus dem namensgebenden Kanton präsentiert.
Als Grundlage für die gleichnamige Ausstellung Cantonale Berne Jura 2022 von Zaharov (kuratiert von Nikolaus Bischoff) dient das Öffnen der Tür, welche die Galerie 3000 mit den Räumlichkeiten der benachbarten Stadtgalerie verbindet und die dadurch ermöglichte freie Passage von einer in die andere Institution.
Der Künstler stellt den für ihn intendierten Ausstellungsraum der Galerie 3000 zusätzlichen Künstlerinnen der Kantonale-Schau zur Verfügung. Die Galerien erscheinen in der geteilten Ausstellung vereint, werden jedoch separat organisiert und produzieren einhergehend damit hauseigene Ausstellungs-Dokumentationen, -Texte und Veranstaltungen. Folglich vermitteln die zwei Sets von begleitenden Medien eine parallaktische Perspektive auf die geteilte Ausstellung, wodurch Betrachtenden eine komparative Reflexion der Nachbargalerien unterbreitet wird. Dieser Eingriff beinhaltet ein beidseitiges Übertreten der Grenzen der Institutionen und ihrer Souveränitäten. In dieser Versuchsanordnung hinterfragt Zaharov die Möglichkeiten von Gastfreundschaft von Nachbarinnen, die auf mehreren Ebenen in einem asymmetrischen Verhältnis zueinander stehen und subvertiert seine eigene Rolle als Gast und eingeladener
Künstler.
Abgesehen von der Größe des verfügbaren Raums, wird auf der Deutungsebene, welche die Separation ins Auge nimmt, auf die ökonomischen und verwaltungstechnischen Differenzen aufmerksam gemacht. So wirkt sich die Beibehaltung der regulären Öffnungszeiten beider Galerien, welche im Missverhältnis stehen, auf die allgemeine Besucherinnen-Erfahrung aus. – Wer empfängt die Besucherinnen, durch welche Tür erhalten sie Ein- und Auslass und wie fassen sie die Ausstellung auf, wenn sie zuerst mit dem einen oder dem anderen Saaltext in Kontakt kommen?
Neben dieser kuratorischen Intervention hat Zaharov zwei Werke speziell für diese Schau(en) angefertigt, die direkt an der Schwelle zwischen den Institutionen angesiedelt sind.Ein transparenter PVC-Vorhang, wie er in Kühlhäusern eingesetzt wird, um Raumtemperaturen zu isolieren, separiert die Heizkosten sparende Galerie 3000 von der beheizten Stadtgalerie.
Die unscheinbare Raumtemperatur wird in diesem Fall zum signifikanten Vergleichspunkt, der Sparmaßnahmen körperlich spürbar macht.

Der Form des Türrahmens folgt ein Schriftzug in schwarzen Klebebuchstaben. Wie der Titel der Arbeit, Sam Pulitzer, do I like drinking more than self-employment, 2017, expliziert, handelt es sich um ein fremdes Werk, das der Künstler appropriiert hat. Pulitzers fragmenthafte Kommentare mit biografischer Note, die eine Ausweglosigkeit aus einer gnadenlos voranschreitenden Neoliberalisierung der Arbeitswelt ansprechen, werfen in ihrem neuen Kontext mehrschichtige Fragen über den Konflikt von systemkritischen und selbstkritischen Ansprüchen auf.

  • Stefan Lux