Sonja Lippuner

Sonja Lippuner, Geboren 1987, Münsterlingen/ TG

In der Galerie 3000 mit der Einzelausstellung Ein Zimmer

Vernissage: 19.8.2021 – 18h

Ein Zimmer

Ich packe meinen Koffer mit Farbe, Tapete und ein paar Zeichnungen und verlasse mein übervolles Atelier.

Eine neue Stadt, ein leeres Zimmer wartet auf mich.

Ich trete ein, ein Zimmer, ein Fenster, eine Tür. Ich schliesse sie hinter mir. Ein Zimmer für mich, die Wände weiss, ich fange an meine Koffer zu leeren und bewege mich durch den Raum. Ich nehme ihn ein und fange an die Flächen zu besetzen, tapeziere sie Stück um Stück. Ein Zimmer und ich, die Tür bleibt geschlossen ein geschützter Ort für die kommenden Wochen. Ich schaffe mir eine Studiosituation, alles ist möglich, der Raum gehört mir.

Mein Atelier in Basel ist für mich ein Ort der Prozesse, ein Labor der Experimente, ein Rückzugsort, der meist verschlossen bleibt für die Aussenwelt, nur einzelne Reliquien verlassen den Raum.

Was ist noch sichtbar in einem Ausstellungsraum von der Arbeit hinter der verschlossenen Türe? Ich möchte die Türe öffnen, ohne zu wissen, wie ich in meiner eigenen Arbeit verortet bin und ohne zu wissen, wohin sich die Prozesse entwickeln. Ich arbeite in diesem Zimmer nicht für eine Ausstellung, sondern nehme mir den angebotenen Raum als Denkort für mögliche und unmögliche Möglichkeiten.

«Raum – Ich will sprechen mit Dir. Mit mir. Bis alles gesagt ist für den Moment. Und dann vermischen sich unsere Sprachen wieder mit unbekannten Lauten. Ich verlasse dich.»

Sonja Lippuner


Und damals, 2016 noch in der „alten“ Galerie 3000  mit der Einzelausstellung inhabitataten.

Portfolio als PDF (2016)

SonjaLippuner

Installationsansicht – 3.2016

Text zur Ausstellung:

inhabitataten
Inhabitataten In habitataten sein.
Habitaten habitieren sich zu Inhabitaten.
Um wandlung,
zu sehen um.
Sein zu schein einschränken in Schränken
im Schrank.

Mich interessiert die Wandlung von Orten.
die Frage nach Raum, Innen und Aussen,
von Orten zu Räumen zu Körper und Objekt.
Dabei geht es mir um feine Abstufungen von Zuständen,
sie zu erfahren und neu zu ordnen.
Die Wandlung von der Vorstelleng der Erinnerung befrage ich
in der Transformation von Bildarchiven in Material zu Objekt .
Der Kontext verschiebt sich durch die Wandlung von Material und dessen Haptik,
durch das Sehen und das räumliche Ist.

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Sonja Lippuner

Material – Raum und Ort Materialien wie Gips, Ton und Stein, klassische bildhauerische Techniken, teilweise figurativ, die Auseinandersetzung mit Oberfläche und Materialität, sind die Grundlagen, aus denen sich meine künstlerische Arbeit entwickelt. Durch Loslösungsprozesse, dem Zersetzten von Material und Form, entferne ich mich von der menschlichen Figur und gelange zu einer neuen Körperlichkeit im Raum.
Doch was heisst Raum? Wie gehe ich mit ihm um? Und wie bewege ich mich in ihm, wie verortet sich das Werk und wie der Betrachtende? Durch den Übergang von der singulären Skulptur zur ortsspezifischen Installation erfährt der Besuchende seine eigene Körperlichkeit im Verhältnis zum ihn umgebenden Raum.
Ein wichtiger Kernpunkt meiner Arbeit ist die Auseinandersetzung mit Raumwahrnehmung und -erfahrung. Durch spezifische architektonische Eingriffe transformiere ich bestehende Raumstrukturen und ihre Verortungen und Szenerien.

Raum der Erinnerung

Ich beobachte Veränderungen und ihre Verbindung mit Zeitlichkeit, denn nur im Raum der Erinnerung ist der unerbittliche Ablauf der Zeit aufgehoben. Unabhängig davon wie viel zeitliche Distanz geschaffen wird, Erinnerungsbilder blitzen immer wieder auf und prallen mit dem Jetzt zusammen – ein neues Bild entsteht in diesem Dazwischen, ein Bild zwischen Realität und Konstruktion.
Das Auflösen von Bildmaterial aus verschiedenen Archiven und dessen Transformation zu Objekten, interessiert mich ebenso wie der Moment, in dem ein Bild aus vorhandenen Bildern entsteht, wobei zugleich ein Auflösen und Zusammenschmelzen, ein Eingiessen und Festhalten (von Erinnerung) stattfindet. Mich interessieren die Handlungsspielräume zwischen Materialität und Inhalt, zwischen (kultur-) historischen Bezügen und meiner persönlichen Wahrnehmung als Künstlerin des 21. Jahrhunderts. Wann und wie verändern sich Bilder, wenn sie losgelöst sind von ihrem ursprünglichen Kontext?

Landschaft der Erinnerung

Meine Werke spiegeln eine Diskrepanz zwischen Nostalgie und einer absurden Bestandsaufnahme dessen wider, was längst nicht mehr so existiert wie in der eigenen Erinnerung. Ländliche Zustände und menschliche Existenzen mischen sich in einer Diversität aus Sehnsüchten und paradoxen Erscheinungen: Ich schaue von spezifischen Orten aus auf die Entwicklung ländlicher Strukturen: Wie lösen sich beispielsweise ganze Regionen auf? Ich beobachte, wie Dörfer gesichtsloser werden und sich dadurch plötzlich nicht mehr verorten lassen. Die Landschaft verändert sich.
Und ich? Ich nähere mich den ersten Häusern, bin über den Palmen im künstlichen Paradies, dann unten, dort ein Swimmingpool in der Stube, die Fenster sind mit Dampf beschlagen und der Garten wächst erst im Frühjahr wieder.
Ausgehend von solchen spezifischen Orten und Landschaften und ihren Entwicklungen geht es mir um die Frage, wie sich Erinnerungsbilder zu einem ganz eigenen Konstrukt (z.B. Heimat) zusammensetzten und losgelöst von räumlicher und zeitlicher Verortung zu modularen Systemen werden, die sich selbständig in andere Räume verschieben. Wo setzt dabei der (Selbst-) Betrug ein? Wo beginnt die Loslösung von stark verankerten Bildern? Ab wann sind diese Bilder ein selbstgemachtes Wahrheitskonstrukt?